Einladung zur DHSS Vortragsreihe
Das Department Digital Humanities and Social Studies bietet ab dem Sommersemester 2023 in loser Folge eine Vortragsreihe zu Themen der Digital Humanities an. Dazu werden externe Forschende an die FAU eingeladen, die aus aktuellen Arbeiten und Projekten berichten. Zu den Vorträgen sind alle Interessierten herzlich eingeladen.
Die genauen Termine der einzelnen Vorträge sowie die Veranstaltungsorte finden sich bei den Angaben zu den Vorträgen.
Wintersemester 2023/24
Cranach Digital Archive – Vernetzte Forschung auf dem Weg zu einem digitalen Werkverzeichnis
Lucas Cranach d. Ä. zählt nicht nur zu den bekanntesten Künstlern der Deutschen Renaissance, sondern zweifellos auch zu deren produktivsten. Im Oktober 2009 begannen acht große Museen in Europa und den USA gemeinsam mit dem Museum Kunstpalast in Düsseldorf und der Technischen Hochschule Köln ein Forschungsprojekt zur digitalen Erschließung der Werke Lucas Cranachs d. Ä., seiner Söhne und seiner umfangreichen Werkstatt. Der Vortrag schildert die Struktur der Onlinedatenbank sowie ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte und zeichnet den Weg des Datenflusses nach: von der Generierung kunsthistorischer und kunsttechnologischer Daten mit neuen bildgebenden Verfahren, über die Verwaltung und Organisation dieser Informationen in der Datenbank TMS bis zur Aufbereitung und Präsentation in der Live-Version des Cranach Digital Archive (lucascranach.org).
Über Daniel Görres, M.A.
Daniel Görres M.A., Studium der Kunstgeschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Träger des Deubner-Preises für aktuelle kunsthistorische Forschung, Stipendiat der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Cranach Digital Archive von 2012–2018, Kurator der Ausstellung „Cranach. Meister – Marke – Moderne“ am Kunstpalast Düsseldorf, 2018–2022 Projektkoordinator des Forschungsprojekts „Kritischer Katalog der Luther-Bildnisse (1519–1530)“ am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (in Kooperation mit der FAU Erlangen-Nürnberg), seit 2023 wissenschaftlicher Projektkoordinator des Cranach Digital Archive.
Wissen auf die Ohren. Ein Blick hinter die Kulissen von #arthistoCast, dem Wissenschaftspodcast zur Digitalen Kunstgeschichte
Wie kann man die Hemmschwelle für Kunsthistoriker*innen abbauen, die sich bislang kaum mit digitalen Methoden oder Verfahren auseinandergesetzt haben? Und wie gelingt dies auf möglichst unterhaltsame und informative Art? Die Fragen führten zur dem dem Wissenschaftspodcast #arthistoCast – der Podcast zur Digitalen Kunstgeschichte.
Auch die Sensibilisierung für Digital Literacy stand dabei auf der Agenda. In dem Vortrag wird Jacqueline Klusik-Eckert Einblicke in die Konzeption und Umsetzung des Wissenschaftspodcasts #arthistoCast geben. Dabei wird nicht nur das Konzept unter die Lupe genommen, sondern auch das Format Podcast als Medium der digitalen Wissenschaftskommunikation reflektiert.
Über Dr. Jacqueline Klusik-Eckert
Jacqueline Klusik-Eckert studierte Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literaturwissenschaft in Erlangen und Bern. Nach ihrem Magisterabschluss promovierte sie in der Kunstgeschichte über das Thema „Transfer von Bildideen: Zur Kultur des Kopierens in der rudolfinischen Malerei und der Rezeption von Bartholomäus Spranger (1546–1611)“. Gleichzeitig war sie neben der Promotion im Projekt am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und später als Koordinatorin der Digital Humanities und des IZdigital an der FAU Erlangen-Nürnberg tätig. Sie erhielt das Stipendium für exzellente Nachwuchsforscherinnen des Freistaats Bayern sowie einen Publikationspreis des Arbeitskreis Niederländische Kunst- und Kulturgeschichte. Seit September 2022 ist sie Projektkoordinatorin von „KI für alle“ am HeiCAD der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihre Forschungsgebiete sind neben der Kunst um 1600 die Methodengeschichte der digitalen Kunstgeschichte, AI Literacy und Rezeptionstheorie. Sie forscht weiterhin über Methoden und Weiterentwicklung von Wissensvermittlung und Wissenschaftskommunikation.
Quo vademus? Modelle räumlichen Verhaltens auf Basis der Raumkognition
Die Mobilität des Menschen als besonderes räumliches Verhalten erfordert eine robuste und dennoch flexibel funktionierende Raumkognition. Im interdisziplinären Forschungsgebiet Raumkognition werden Strukturen und Prozesse der umweltbezogenen Informationsverarbeitung bei Menschen und Maschinen untersucht. Besonders herausfordernd ist es Modelle menschlicher Informationsverarbeitung so zu gestalten, dass wir sie z.B. in Robotern einsetzen können. In diesem Vortrag stelle ich das Konstrukt der raum-schlauen (engl. geo-savvy) Agenten vor, die Konzepte der Raumkognition als implementierte Modelle enthalten und für die Simulation der menschlichen Mobilität eingesetzt werden. Die Vorstellung dieser Forschungen wird umrahmt von Anwendungsszenarien aus verschiedenen Teilbereichen der Humanities: Mobilität im prä-kolonialen Amazonas, Navigation in den Karten Tolkiens, und Raumaneignung in urbanen Grünräumen.
Über Prof. Dr. Sabine Timpf
Prof. Dr. Sabine Timpf ist Professorin für Geoinformatik an der Universität Augsburg.
Border Sonics: Eine Analyse der Verwendung von Medientechnologien, Daten und Stimmen in Asyl- und Grenzregime
Inmitten des zeitgenössischen politischen Diskurses von transnationaler Migration als Krise nutzen Nationalstaaten zunehmend sogenannte „smarte“ digitale Medientechnologien, um die autonome Mobilität von Menschen zu kontrollieren und zu steuern. In diesem Vortrag untersuche ich die Einführung und Nutzung automatisierter Dialekterkennung in Asylverfahren in Deutschland und Europa und betrachte, wie Stimmen in Daten verwandelt werden. Die zu Daten verarbeitete Stimme ersetzt zunehmend die Aussagen von Asylsuchenden und bewirkt damit eine Verschiebung des Beweisregimes bei der Asylprüfung. Ich zeige, wie Dialekterkennung versucht Menschen, Mobilität und Geografien hörbar zu machen, indem die Stimme als Identitätsindex fixiert und genutzt werden soll. Die Dialekterkennung fixiert dadurch territoriale Grenzen, die jedoch oft durch multiple Mobilität und koloniale Geschichten gekennzeichnet sind – ein Prozess, den ich als border sonics“ bezeichne. Auf der Grundlage ethnografischer und archivarischer Forschungen argumentiere ich, dass die derzeitige Verbreitung datengesteuerter, algorithmischer, „smart“ Technologien im Rahmen kolonialer Genealogien der Produktion von race und kultureller Differenz verortet werden muss, die Stimmen und Sprachen klassifizieren und codieren. Darüber hinaus dienen die Erprobung und das Testen von Technologien für die Grenz- und Migrationskontrolle der Innovation von Stimm- und Spracherkennungstechnologien im Allgemeinen, was es erforderlich macht, die transnationale Migration in den Mittelpunkt der Forschung über digitale Medientechnologie, race und Daten zu stellen.
Über Dr. Michelle Pfeifer
Dr. Michelle Pfeifer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Digitale Kulturen der Technischen Universität Dresden. Ihre Forschung ist an den Schnittstellen von (digitaler) Medientechnologie, Migrations- und Grenzstudien sowie Gender und Sexuality studies angesiedelt und erforscht die Rolle von Medientechnologie inmitten von Kämpfen um Mobilität und Migration in Europa.
Michelle hat am Fachbereich Medien, Kultur und Kommunikation der New York University promoviert und arbeitet derzeit an zwei Forschungsprojekten. Zum einen an ihrem Buchmanuskript „Data on the Move: Voice, Algorithms, and Asylum in Digital Borderlands“ welches die sogenannte Flüchtlingskrise als Ausgangspunkt nimmt, um zu untersuchen, wie algorithmische und akustische Medieninfrastrukturen für die Migrationskontrolle, die Grenzüberwachung und die Asylverwaltung auf einem Planeten eingesetzt werden, auf dem globale Vertreibung zur neuen Norm geworden ist. Zum Anderen arbeitet sie derzeit an dem Forschungsprojekt „One Million Refugees:
Numbers and the Sexuality of Statistics“ welches wie die Produktion und Zirkulation von Zahlen in Migrationsstatistiken und die Figur der Population als Teil europäischer Abgrenzungspraktiken analysiert.
Michelles Forschung wurden in Citizenship Studies, Culture Machine und dem Sammelband Thinking with an Accent von der University of California Press veröffentlicht. Sie war Mitherausgeberin der Sonderausgabe „The Sexual Politics of Border Control“ in Ethnic and Racial Studies und ist zurzeit Vertreterin der Nachwuchswissenschaftler*innen in der Philosophy, Theory, Critique division der International Communication Association.
Archiv
Coding Gender – computationelle Analysen diverser Genderdarstellungen
Die “griechische Nase”, das “vergeistigte Oval” eines Gesichts, die “scharlachroten Lippen” – Figurenbeschreibungen und -charakterisierungen in literarischen Texten sind vielfältig und lassen sich zu komplexen Figurenprofilen zusammenführen. Dabei werden auch typische Charakterisierungen von Figuren deutlich, die für unterschiedliche Genderrollen stehen, wie z.B. Mutter, Jüngling, Tomboy oder Dandy. Bisher werden Darstellungen von Gender in den Digital Humanities noch häufig im Rahmen einer binären Klassifikation in männliche und weibliche Figuren untersucht. Abweichend davon wird in diesem Vortrag ein Ansatz der Digital Gender Studies vorgestellt, der sowohl Konformität mit normativen Genderrollen als auch Abweichungen davon bis hin zu non-binären, queeren und diversen anderen Gender-Identitäten und -Performanzen in den Blick nimmt. Dafür werden Charaktere sowohl mit mehr oder weniger gegenderten Rollen als auch mit Beschreibungen von Eigenschaften zusammengedacht. Es kommen theoretisch fundierte Ansätze zur Modellierung und Operationalisierung sowie Methoden des maschinellen Lernens, der Annotation und der Netzwerkanalyse zum Einsatz.
Der Vortrag gibt Einblicke in das laufende Forschungsprojekt m*w und zeigt dabei gleichzeitig Workflows aus den Digital Humanities von der Korpuskonstituierung über die Modellierung bis hin zu Analyse und Interpretation literarischer Daten
Über Jun.-Prof. dr. Mareike Schumacher
Mareike Schumacher ist Juniorprofessorin für Digital Humanities an der Universität Regensburg. Sie hat Kulturwissenschaften, Wirtschaftspsychologie und Germanistik in Lüneburg und Hamburg studiert und wurde 2021 mit einer Arbeit zum Thema “Orte und Räume im Roman” an der Universität Hamburg promoviert. Sie arbeitet seit 2013 im Bereich der Digital Humanities und hat an den Projekten efoto-Hamburg, DARIAH-DE und forTEXT mitgewirkt. Forschungsschwerpunkte sind Digital Cultural Heritage, Erzähltheorie, Computational Literary Studies und digitale Genderforschung. Ihr Methodenrepertoire umfasst unter anderem digitale Annotation, Machine Learning, Netzwerkanalyse und die Arbeit mit Graphdatenbanken.
Aufbau und Entwicklung des virtuellen Forschungsnetzwerks duerer.online
Seit Juni 2020 entsteht duerer.online, ein von der DFG gefördertes virtuelles Forschungsnetzwerk. Damit entwickeln die Universitätsbibliothek Heidelberg und die Museen der Stadt Nürnberg/ Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung e.V. gemeinsam eine Plattform, die perspektivisch das vollständige Werkverzeichnis der Druckgraphik, Gemälde und Zeichnungen des Künstlers sowie seines Nachlebens vereint. Zum Einsatz kommt die Wissenschaftliche Kommunikationsinfrastruktur ‚WissKI‘. Zudem werden Teile seines schriftlichen Nachlasses und Nachlebens nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI) ediert. Im Vortrag werden die Beweggründe erläutert und die Möglichkeiten aufgezeigt, die eine Verknüpfung verschiedener technischer Tools zur inhaltlichen Vernetzung und institutionsübergreifenden Erschließung für die Forschung bietet.
Über Dr. Franziska Ehrl
Bis 2010 Magisterstudium der Kunstgeschichte, Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege sowie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Promotion des allgemeinsten Interesses sicher – Druckgraphische Totentanzfolgen im Sog des Ersten Weltkriegs, gefördert nach dem BayEFG, veröffentlicht Sankt Ottilien 2018. Im Anschluss wissenschaftliche Mitarbeiterin in Forschungsprojekten am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (Jenseitsvorsorge und ständische Repräsentation – Interdisziplinäre Erschließung der spätmittelalterlichen Totenschilde, 2016–2017), an der Staatsbibliothek Bamberg (Die Graphiksammlung Joseph Hellers – Visualisierung und Vernetzung einer Sammlungsstruktur, 2017–2020) und seit 2020 an der Universitätsbibliothek Heidelberg (duerer.online – Virtuelles Forschungsnetzwerk Albrecht Dürer).